95 polemische Thesen gegen die herrschende Ordnung by Klaus Blessing

95 polemische Thesen gegen die herrschende Ordnung by Klaus Blessing

Autor:Klaus Blessing [Blessing, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: edition berolina / BEBUG mbH
veröffentlicht: 2017-01-24T23:00:00+00:00


Welche Rolle spielen diese Ursachenkomplexe? Treffen sie überhaupt das entscheidende Kettenglied? Mit dieser Komplexitätstheorie werden die weitgehend nicht zu leugnenden Einzelprobleme zu einem gordischen Knoten verknüpft, der offenkundig nicht lösbar ist. Ein Hauptkettenglied wird dabei nicht erkennbar.

Andere Auffassungen gehen durchaus von einem solchen Hauptkettenglied aus. Im Rahmen dieser Einzelkomplexe nimmt auf ökonomischem Gebiet offensichtlich das unzureichende ökonomische Zusammenwirken der sozialistischen Länder eine Schlüsselstellung ein. Es war nicht annähernd gelungen, einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu schaffen und das Gesamtpotential dieses Raumes koordiniert für die wirtschaftliche Entwicklung einzusetzen. Es gab keine einheitliche Währung (der »transferable Rubel« war eine Verrechnungsgröße), kein wirksames einheitliches Banksystem, kaum untereinander abgestimmte wissenschaftlich-technische Entwicklungen (wer konnte, entwickelte Mikroelektronik selbst), nur wenige gemeinsame Investitionsobjekte, keinen gemeinsamen »Markt«. Der RGW war im Wesentlichen eine Austauschbörse national gefertigter Produkte.

Einige meinen, dass die fehlenden Freiheiten, die Missachtung wirklicher Demokratie die Hauptursache darstellten.

»Alle diese Ursachen haben eine gemeinsame Wurzel. Damit könnte man sie, ohne zu vereinfachen, in einer einzigen zusammenfassen: das Fehlen von Demokratie.«29

»Der reale Sozialismus ist nicht gescheitert an den Prinzipien der Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der gesamtgesellschaftlichen Planung, sondern vor allem an seinem entscheidenden Mangel, dem Fehlen von Demokratie.«30

Dieser Auffassung widerspreche ich zunächst nicht. Es ist in der Tat so, dass die Entmündigung des Menschen, das nicht nur materielle, sondern vor allem auch geistig-ideologische Diktat der Parteiführung die Menschen in die Isolation trieb. Die Schönfärberei, das Verschweigen der realen Probleme, der Widerspruch zwischen Schein und Sein, das Nichtzulassen wirklich kritischer Debatten stieß viele Menschen, insbesondere die Intellektuellen, vor den Kopf. Die Forderungen der Wendezeit bestanden deshalb vorrangig im Ruf nach Mitbestimmung, Ernst genommen werden, »wir sind das Volk«. Im Inneren entwickelten sich die unzureichende Gewährung der Bürgerrechte – insbesondere die unzureichende Meinungs- und Reisefreiheit – sowie die Entfernung der politischen Führung vom Volk zunehmend zum Konfliktpotential.

Andere Auffassungen sehen getreu der marxschen und leninschen Definition, dass die ökonomische Basis – die Produktivkräfte – das Entscheidende, Bestimmende bei der Gestaltung jeder Gesellschaftsordnung sind, die Hauptursache für die Niederlage in den wirtschaftlichen Problemen, letztlich im Zurückbleiben der Arbeitsproduktivität gegenüber den führenden kapitalistischen Industrieländern. Sie beziehen sich dabei auf die bekannte und in der Tat die sozialistische Entwicklung bestimmende Aussage Lenins, dass die Arbeitsproduktivität das Wichtigste für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung sei. Das aber hat der praktizierte Sozialismus nicht zu erreichen vermocht.

Aus dieser Feststellung heraus sind grundsätzliche Überlegungen notwendig. Sie laufen auf die Frage hinaus, ob der gesellschaftspolitische Ansatz, dass die Arbeitsproduktivität letztlich über Sieg oder Niederlage des Sozialismus entscheidet, richtig ist. Das gesellschaftliche Konzept aller sozialistischen Staaten ging von dem Ziel aus, langfristig den Kommunismus zu errichten. Der Sozialismus war in diesem Verständnis ein Durchgangsstadium, eine Etappe auf dem Weg dahin.

Die Kernaussagen zur Kommunistischen Gesellschaft sind: Es herrscht allgemeines gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln. Durch die Entwicklung der Produktivkräfte wird ein solcher Überfluss an Produkten erzeugt, dass jeder nach seinen Bedürfnissen leben kann. Die Produkte werden aus einem gesamtgesellschaftlichen Konsumtionsfonds nach diesen Bedürfnissen unentgeltlich verteilt, es gibt keinen Kauf und Verkauf, folglich kein Geld. Jeder arbeitet unbezahlt nach seinen Fähigkeiten, Arbeit wird zum ersten Lebensbedürfnis. Dadurch wird die völlige soziale Gleichheit aller Gesellschaftsmitglieder erreicht.



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